Anti-Panic Pricing

Während der Corona-Pandemie im Jahr 2020 entstanden gerade im stationären Handel neuartige Strategien und Lösungsansätze, die Versorgungsengpässe verhindern sollten. Vor allem das Einkaufen in großen Mengen brachte Supermärkte an ihre Grenzen. Der Supermarkt Meny in Dänemark wollte dem Horten von Händedesinfektionsmittel im Frühjahr 2020 entgegenwirken und versuchte, das Problem mit einer neuartigen Preisstrategie zu lösen. Die Bilder und News der neuen Preispolitik verbreiteten sich schnell im Internet und in den sozialen Netzwerken.
Der Begriff Anti-Panic Pricing hat diese Preisstrategie zum Hintergrund und umfasst negative Mengenrabatte, um Kunden vor übereilten Hamsterkäufen abzuschrecken.
Das Konzept des Anti-Panic Pricings basiert auf genau dieser Vermeidung von Hamsterkäufen, indem auf knappe Artikel negative Mengenrabatte angewandt werden. Die einfache Strategie dahinter ist, dass Verbraucher das erste Stück eines Produktes zum normalen Preis erwerben können. Doch der Preis jedes darauf folgenden Stückes des gleichen Produktes steigt deutlich.

Dem Beispiel des dänischen Supermarktes MENY folgend, lag der Preis für eine Flasche Händedesinfektionsmittel im März 2020 bei umgerechnet 5,50 €. Die zweite Packung kostete dann bereits 135 €, was einen Preisanstieg um das 25-fache ausmacht.
Aus Verbrauchersicht macht es in diesem Fall also Sinn, lediglich eine Packung des Desinfektionsmittels zu kaufen, und nicht in großen Mengen und auf Vorrat.

 

Wie es dazu kam

Das Horten von extremen Mengen (Hamsterkäufe) von Lebensmitteln, Sanitärartikeln und Hygieneprodukten trat vermehrt auf, als das Coronavirus (COVID-19) Anfang 2020 als globale Pandemie eingestuft wurde. Auf Seiten der Bürger hielten zu dieser Zeit  einige Bedenken und Sorgen Einzug. Aufgrund der weitreichenden Corona-Krise hatten viele Menschen Angst vor einer eventuellen Unterversorgung, beziehungsweise Versorgungsengpässen. Doch diese Angst wurde öffentlich als unbegründet eingestuft. Auch die Angst vor scheinbar zunehmendem Kontrollverlust brachte die Bevölkerung zum handeln.
Um sich auf einen Versorgungsengpass vorzubereiten, kauften etliche Menschen viel größere Mengen als normalerweise üblich.
Das Ergebnis ist ein System, welches sich selbst immer weiter verstärkt, denn diese neue Einkauf-Kultur sorgte in zahlreichen Supermärkten zu leeren Regalen. Die leeren Regale wiederum schürten die Angst vor einem Versorgungsengpass umso mehr. Das Resultat war, dass noch mehr Menschen dazu verleitet wurden, Hamsterkäufe zu tätigen. Auch diejenigen, die anfangs noch keine Absicht dazu hatten.
Infolgedessen konnte man beobachten, wie der Versorgungsengpass zunehmend durch die Verbraucher selbst verursacht wurde.
Um diesen Hamsterkäufen entgegenzuwirken, wurde das sogenannte Anti-Panic Pricing als Maßnahme gegen einen tatsächlichen Versorgungsengpass eingesetzt.
Zu den beliebtesten Produkten, welche während der Pandemie gehortet wurden, gehörten z.B. Lebensmittel mit langer Haltbarkeit und einfacher Lagerung, Hygieneprodukte (wie z.B. Toilettenpapier, vor allem in Deutschland) und Hygieneprodukte wie Händedesinfektions- oder Reinigungsmittel.

 

Anwendung

Die vorgestellte Preiserhöhung des Supermarktes Preiserhöhung deutet auf eine zufällig generierte Preiserhöhung hin. Daneben gibt es hier außerdem zwei weitere mögliche Modelle für den Preisanstieg:

Ein linearer Preisanstieg, welcher wie folgt aussehen würde:
1 Stück: 1€ pro Stück (1 €)
2 Stück: 2€ pro Stück (4 €)
3 Stück: 3€ pro Stück (9 €)

Oder ein exponentieller Preisanstieg, wie folgt berechnet:
1 Stück: 1€ pro Stück (1 €)
2 Stück: 2€ pro Stück (4 €)
3 Stück: 4€ pro Stück (12 €)

 

Durchsetzbarkeit

Es ist fraglich, ob diese neue Preispolitik tatsächlich durchsetzbar ist, denn bei der Durchsetzbarkeit und Zielgerichtetheit einer Anti-Panic Preispolitik spielen mehrere Faktoren eine Rolle.
Zum einen können Verbraucher die negativen Mengenrabatte umgehen, indem sie den Supermarkt mehrmals besuchen.
Zum anderen stellt diese Preispolitik auch gerade Mehrpersonenhaushalte oder Familien mit mehreren Kindern vor eine große Herausforderung, da die benötigten Mengen an Lebensmitteln oder Sanitärartikeln unter Umständen nicht mehr zum üblichen Preis erhältlich sind.
Und auch der Schwarzmarkt könnte durch die Bewältigung der Situation angekurbelt und häufiger genutzt werden.

Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind noch zu klären, denn in Deutschland gilt das Recht auf freie Preiswahl. Die durch das Anti-Panic Pricing gestiegenen Preise könnten aber möglicherweise als Wucher interpretiert werden und das damit verbundene Geschäft wäre daher nach §138 BGB sittenwidrig.
Das bedeutet, dass es in Deutschland derzeit kein Gesetz gibt, das den rechtlichen Rahmen für Anti-Panic Pricing explizit festlegt.

Doch das Anti-Panic Pricing ist sicherlich eine vorbildliche Methode, um den Menschen eine Art Lektion zu erteilen und damit auf die quasi selbstverschuldete Angebotsknappheit aufmerksam zu machen. Positiv hervorzuheben ist hier insbesondere, dass diese Methode als weniger aufdringlich eingestuft werden kann als die staatliche Verwendung von Lebensmittelmarken. Und auch Menschen, welche wissentlich horten wollen, können dies tun, indem sie mehr bezahlen oder mehr Zeit für das Einkaufen aufwenden.
Dieses kühne und neuartige Konzept aus Dänemark ist bereits in die Praxis umgesetzt worden und wird zweifellos einigen Einzelhändlern in Erinnerung bleiben.